Eine ganz besondere Herausforderung an Kopfarbeit und Neugier sind die Hörfunk-Features, von denen ich einige seit 1993 für die MDR-Feature-Redaktion schreiben und recherchieren durfte. „Die Glocken von Kahnsdorf“ über das ungewöhnliche Schicksal eines kleinen Dorfes inmitten der Tagebauwüste im Südraum Leipzig, eine unvergessliche Zusammenarbeit mit meinem geschätzten unbequemen Kollegen Holger Jakisch. „Häuserkampf“ über eine rebellische Hausgemeinschaft in Leipzig, die sich erfolgreich gegen den Rauswurf und die Luxussanierung ihres Gründerzeithauses zur Wehr setzt – mit List und sächsischer Fischilanz. Und „Der Wolkenforscher“ über den Chef des Leipziger Instituts für Troposphärenforschung, Prof. Jost Heintzenberg und seine aufregenden Erkundungen des Himmels und der irdischen Lufthülle.
Besonders anregend war auch die Arbeit für WDR 4 „Neugier genügt“ und für Deutschlandradio Kultur, die Sendung „Länderreport“.
Feature MDR FIGARO 12.12.2015
Weil er dem Flüchtlings-Sterben im Mittelmeer nicht länger tatenlos zusehen wollte, hat der Brandenburger Unternehmer Harald Höppner mit Freunden das Projekt „Sea-Watch“ initiiert. Mit einem umgebauten Fischkutter leisten er und seine Crew seit Juni 2015 Nothilfe vor der Libyschen Küste. Autorin Heidi Mühlenberg hat die private Rettungsinitiative begleitet.
Feature MDR FIGARO 28.03.2015
Eine Krankenkasse solidarisch, individuell und regional organisieren – geht das? Auf Gegenseitigkeit und Vertrauensbasis, ohne Staat? Ja! Gab es vor neun Jahren in Leipzig erst eine Artabana-Gruppe, sind es heute schon 13. Wer das erste Mal von „Artabana“ hört, reagiert ungläubig. Ein Leben ohne richtige Krankenversicherung? Geht das? Artabana ist eine Solidargemeinschaft, gegründet vor dreißig Jahren in der Schweiz, in Deutschland aktiv seit 1999. Derzeit existieren 250 Gruppen mit mehr als 2.100 Mitgliedern, viele in Ostdeutschland, „wo der solidarische Gedanke noch verwurzelt ist“, sagt Felicitas Gerull von Artabana Deutschland.
MDR FIGARO Feature 2014
Das riskante Fracking erlebt in Deutschland gerade ein Comeback – dank der Krimkrise. Geschickt nutzen die Lobbyisten der Gaskonzerne die Spannungen mit Russland, um ihr umstrittenes Verfahren als Lösung anzubieten – und finden Gehör bei der Politik.
Fracking statt Putin? Heimisches Schiefergas aus dem Ostharz, aus dem Hainich, aus Thüringen oder dem Wendland statt Gazpromlieferungen aus Sibirien? Es ist eine abstruse Logik, die den Deutschen gerade serviert wird. Die Konzerne spielen mit der Angst der Verbraucher vor einem Winter ohne Heizung und vor einem Blackout, um ein Milliarden-Geschäft doch noch klarzumachen, das schon kurz vor dem Scheitern stand. Lügen über Lügen werden dabei aufgetischt. Selbst wenn alle verfügbaren Reservoirs per Fracking ausgebeutet würden, könnte Deutschland nach optimistischer Schätzung seinen Gasbedarf gerade zehn Jahre decken. In den USA klingt der kurze Schiefergas-Boom seit 2008 schon wieder ab und hinterlässt Pleite-Firmen und eine desaströs zerstörte Landschaft.
Fracking bedeutet einen brutalen Eingriff in die Natur: Um Gas zu fördern, werden bei Bohrungen Millionen Liter Chemiebrühe in den tiefen Untergrund gepresst, darunter Desinfektionsmittel, Biozide, Salzsäure und Lösungsmittel. In Deutschland, so behauptet die Gasindustrie, kämen nur ungiftige Fluide zum Einsatz. Doch dieses sogenannte „Clean Fracking“ funktioniert bisher nur im Labor.
Trotzdem werden aktuell hunderte Erkundungsanträge auf Schiefergas-Fracking bei deutschen Bergämtern bearbeitet, viele sind schon genehmigt. Der kanadische Konzern BNK Petroleum erhielt die Lizenz zum Probebohren in Sachsen Anhalt und Nordthüringen, darunter im Ostharz, im Ilm-Kreis, in Unstrut-Hainich sowie um Mühlhausen.
MDR FIGARO Feature 2013
Die traditionelle chinesische Medizin setzt seit über 2000 Jahren auf die Heilkraft der Pflanzen. Doch der wissenschaftliche Beweis, wie sie wirken, stand bislang aus. Nun gelang einem Forscherteam um Professor Chen Yu Zhang an der Nanjing-Universität der Nachweis chinesischer Grippemittel im Blut.
Die Wissenschaftler fanden nicht nur Erbgutschnipsel der gesuchten Kräuter, sondern auch die RNA von dreißig verschiedener Gemüsepflanzen. Sie wiesen nach, dass diese Pflanzen-RNA im menschlichen Körper die Produktion wichtiger Proteine beeinflusst – und damit unsere Gene. Was bedeutet diese neue Forschung für deutsche Verbraucher? Und was tut sich in China selbst? Professor Chen Yu Zhang war im Sommer 2013 vor das Nobelpreiskomitee geladen worden.
Deutschlandradio, Länderreport
Die Hanseaten in der Ostseestadt Lübeck proben den Aufstand gegen Italiens Justiz.
Grund ist ein politischer Schauprozess gegen den Lübecker Kapitän Stefan Schmidt und seinen Kollegen Elias Bierdel. Schmidt hatte als Kapitän der „Kap Anamur“ vor fünf Jahren 37 schwarzafrikanische Bootsflüchtlinge im Mittelmeer vor dem Ertrinken gerettet.
Jetzt fordert die Staatsanwaltschaft im sizilianischen Agrigent vier Jahre Haft ohne Bewährung und eine Geldstrafe von 400 000 Euro für jeden Angeklagten wegen Schlepperei. „Beihilfe zur illegalen Einreise in einem besonders schweren Fall“ lautet der Vorwurf gegen Stefan Schmidt. Am 21. Juli 2009 soll das Urteil fallen.
Beide Angeklagten gehen von einer Verurteilung aus, denn Italien will ein Exempel statuieren und Nachahmer abschrecken.
Das bringt in Lübeck die Bürger auf die Palme.
Die Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck beschloss am 28. Mai 2009 mit großer Mehrheit eine Protest-Resolution als Zeichen Lübecker Solidarität mit dem Kapitän Stefan Schmidt und der Besatzung. Die beiden Angeklagten „haben die Hochachtung der Lübecker Bürgerschaft für die Rettung der 37 Schiffbrüchigen im Mittelmeer. Zur See Fahrende, die Schiffbrüchige aus Seenot retten und diese im Hafen eines EU-Mitgliedsstaates absetzen, sollen nicht strafrechtlich verfolgt werden. Im Gegenteil: wir sehen es als vorrangige Pflicht an, Menschenleben zu schützen und zu retten.“ Ex-Ministerpräsident Björn Engholm geht noch weiter: „Wenn diese beiden verurteilt werden, heißt das, dass Kapitäne in Zukunft an Schiffsbrüchigen vorbei fahren müssen.“
Groß ist der Zorn auch an der Seemannsschule Lübeck-Travemünde, wo der 67jährige Kapitän Stefan Schmidt als Dozent arbeitet. Fast alle Studenten haben dort einen Protestbrief der Organisation „Pro Asyl“ an Italiens Justizminister unterschrieben. „Wo bleibt die heilige Pflicht der christlichen Seefahrt, Menschen aus Seenot zu retten?“ fragen sich viele der angehenden Seeoffiziere.
Auch der Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg macht mobil. In seiner Sonntagspredigt verlangte Pastor Heinz Rußmann in scharfen Worten einen Freispruch. „Jeder Mensch ist vor Gott und seinem Gewissen verpflichtet, Schiffsbrüchige und Menschen in Lebensgefahr zu retten. Sonst töten wir sie! Für alle Religionen und Humanisten auf der ganzen Welt steht das Gebot `Du sollst nicht töten` im Zentrum von Ethik und Moral.“ Eine Verurteilung wäre ein Abschied vom christlichen Europa. In allen Innenstadtkirchen liegen Protest-Postkarten aus unter dem Motto ‚Humanitäre Hilfe ist niemals ein Verbrechen‘. Der Kirchenvorstand richtete einen eigenen scharfen Protestbrief an Italiens Justizminister:
„Wir teilen als Kirche die vielfach geäußerte Empörung darüber, dass mit diesem Prozess lebensrettendes Handeln als ein Verbrechen kriminalisiert wird. Wir protestieren dagegen, dass mit diesem Prozess ein abschreckendes Exempel für zukünftige Lebensrettungsversuche an den europäischen Außengrenzen statuiert werden soll. Gegen ein solches Bestreben zur Lösung global begründeter Flüchtlingsdramen im Mittelmeer erheben wir entschieden Einspruch!“
Kurz zum Hintergrund: Die „Cap Anamur“ läuft am 29. Februar 2004 zu ihrer ersten Hilfsfahrt aus dem Heimathafen Lübeck mit Hilfsgütern für die afrikanische Westküste und den Irak. „Ich war kein Vereinsmitglied“, sagt Schmidt, „ich war einfach nur Kapitän.“ Sein Monatsgehalt brutto: 1100 Euro. Zwischen Lampedusa und Malta trifft das Schiff auf 37 teils entkräftete dicht in ein Schlauchboot gedrängte Menschen. Sie haben weder Trinkwasser noch Nahrung. Der Motor qualmt, das Boot verliert Luft und droht zu kentern. „Das einzige, was sie hatten, war ein mit Gebeten beschriftetes Blatt Papier“, sagt Schmidt. Als Schmidt die Männer an Bord nimmt, rettet er sie vor dem sicheren Tod. Selbst mit funktionstüchtigem Motor hätten sie drei Tage an die nächste Küste gebraucht. 14 Tage dürfen sie in keinem sizilianischen Hafen einlaufen. Als Schmidt den Fall zum Notfall erklärt, dürfen sie an Land, alle Afrikaner werden abgeschoben, Schmidt und Bierdel kommen eine Woche in Haft.
„Weil wir das alles so seltsam fanden, was in EU-Namen – also in unserem – an Europas Grenzen geschieht“, haben er und Bierdel den Verein Borderline-Europe gegründet (www.borderline-europe.de), der sich den ungezählten Flüchtlingen widmet, die allein im Mittelmeer zu Tausenden sterben. So wie Mohammed Yussif: von Schmidt 2004 gerettet, von Italien abgeschobenen, gestorben 2006 bei einem erneuten Fluchtversuch vor Lampedusa.
Schmidt, der vermeintliche „Schlepper“, ist mit dem Menschenrechtspreis der Stiftung ProAsyl ausgezeichnet worden. „Dabei habe ich nur getan, was ein Kapitän machen muss“, sagt er. „Von Anfang bis Ende.“ Inzwischen hält er auch Vorträge über die Vorfälle von 2004 und ihre Folgen – in Berlin, Frankfurt/Main und gerade erst wieder in der Seemannsschule. „Auf Wunsch der Schüler“, sagt er. Das freut ihn. Dass er ein Mann von höchster Glaubwürdigkeit ist, bezweifelt hier niemand.